#12von12: Die Fachstelle Archiv der Deutschen Digitalen Bibliothek und das Archivportal-D – Ein Porträt in zwölf Bildern

#12von12: Die Fachstelle Archiv der Deutschen Digitalen Bibliothek und das Archivportal-D – Ein Porträt in zwölf Bildern

12.12.2016

An einem in Berlin sehr verregneten Montagnachmittag besteige ich den Zug nach Stuttgart, um meine Kollegen von der Fachstelle Archiv und dem Archivportal-D, dem spartenspezifischen Zugang zu den archivischen Informationen der Deutschen Digitalen Bibliothek, zu besuchen. Über 2.600 Archive gibt es in Deutschland, 2.574 Archive sind bislang bei der Deutschen Digitalen Bibliothek registriert. 114 davon haben schon Daten an uns geliefert. Einen Tag lang will ich meine Kollegen während ihrer Arbeit begleiten – nicht nur, um diese Arbeitsbereiche der Deutschen Digitalen Bibliothek vorzustellen, sondern auch um selbst einen besseren Eindruck ihrer täglichen Arbeit und ihres Umfelds aus der Perspektive der Geschäftsstelle in Berlin zu bekommen.

Die Fachstelle Archiv ist an zwei Standorten angesiedelt: am Bundesarchiv in Berlin und am Landesarchiv Baden-Württemberg in Stuttgart, wo auch das Archivportal-D ansässig ist. Das Landesarchiv ist ebenso wie das Bundesarchiv Teil des Kompetenznetzwerks der Deutschen Digitalen Bibliothek. Der Präsident des Landesarchivs Prof. Dr. Robert Kretzschmar ist eines der drei Vorstandsmitglieder der Deutschen Digitalen Bibliothek. Neben der Fachstelle Archiv gibt es weiterhin die Fachstellen Bibliothek, Denkmalpflege, Mediathek-Film, Mediathek -Fotografie und Mediathek -Ton sowie die Fachstelle Museum. Sie sind in ganz Deutschland verteilt – sie alle wollen wir in nächster Zeit vorstellen.

Wir überlegen, wie wir ihren Arbeitsalltag am besten illustrieren können und haben die Idee das Format „12von12“ dafür zu benutzen. Von Instagram und Twitter kennen es einige vielleicht: In zwölf Bildern zeigt man einen Tag seines Lebens und zwar am 12. eines jeden Monats.
 

#1von12

Das Schloss in Stuttgart
Das Schloss in Stuttgart

Stuttgart, ganz im Gegensatz zu Berlin, zeigt sich an diesem Tag von seiner sonnigen Seite. Das Landesarchiv Baden-Württemberg ist nur etwa zehn Minuten zu Fuß vom Hauptbahnhof entfernt und der Weg führt direkt durch den Schlossgarten. Nadine Seidu, Koordinatorin des DFG-Projektes „Aufbau eines Archivportals-D“ – so lautet der offizielle Name – und Oliver Götze, Mitarbeiter der Fachstelle Archiv, treffe ich in der Eugenstraße 7 und möchte zuerst wissen, wie die beiden zum Archivportal-D und der Fachstelle Archiv gekommen sind.

Oliver erzählt, dass er keine typisch archivarische Ausbildung hat, sondern Informationswissenschaft mit Schwerpunkt Bibliothekswissenschaften in Darmstadt studiert und dann bei einem Digital Library Projekt ähnlich der Deutschen Digitalen Bibliothek an der KIT-Bibliothek in Karlsruhe (Karlsruher Institut für Technologie) gearbeitet hat. Nadine ist Kulturwissenschaftlerin, hat aber auch Publizistik an der Universität in Mainz studiert. Ihre archivfachlichen Kenntnisse haben beide nach dem Studium gesammelt. Als Koordinatorin des Archivportals-D besteht Nadines Arbeitsbereich aus Projektmanagement und Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt. Olivers Arbeitsbereich beschäftigt sich primär mit der Datenaufbereitung. Er bespricht mit den Archiven, welche Daten sie liefern möchten und wie diese Daten aufbereitet sein müssen, damit sie aus archivfachlicher Sicht adäquat präsentiert werden – „Das kann ich als Fachstelle nicht richtig beurteilen, deshalb ist das die Entscheidung des Archivs“ – und begleitet diesen Prozess bis zum „Ingest“, die Einspeisung der Daten, in die Deutsche Digitale Bibliothek und das Archivportal-D.

#2von12

Das Landesarchiv Baden-Württemberg in der Eugenstraße in Stuttgart
Das Landesarchiv Baden-Württemberg in der Eugenstraße in Stuttgart

Die Zentrale des Landesarchivs in der Eugenstraße liegt fast vis-à-vis vom Stuttgarter Schloss. Entstanden ist das Archiv zum 1. Januar 2005 und ist damit eine junge Institution, auch wenn die Geschichte der Archive, die nun im Landesarchiv unter einem Dach vereint sind, zum Teil bis in das Mittelalter zurückreicht. Wir machen einen kurzen Rundgang durch das gelbe Haus mit der roten Tür und Oliver erzählt, dass er die dezentrale Struktur der DDB-Fachstellen – jede Fachstelle ist an einer entsprechenden Institution angegliedert – sehr positiv sieht, auch aufgrund des spartenspezifischen Know-Hows, welches diese Art der Organisation mit sich bringt. Olivers Einschätzung ist, gäbe es eine zentrale Fachstelle für alle Sparten, wäre es schwierig, sich immer wieder in die speziellen Anforderungen von Archiven, Bibliotheken, Mediatheken und Museen einzudenken.

#3von12

Nadine und Oliver bei den Aufnahmen zu den E-Learning Videos
Nadine und Oliver bei den Aufnahmen zu den E-Learning Videos

Ein Projekt, an dem die beiden gerade arbeiten, ist das „Data Preparation Tool“ bzw. die Aufnahme von E-Learning-Videos für eben dieses, um das Handling des Tools für die Archive zu erleichtern. Das Tool stammt eigentlich aus dem Projekt „Archivportal Europa“ und wurde für die Bedürfnisse der Fachstelle und des Archivportals-D angepasst. Es wird zur Zeit intern benutzt, soll aber so weiterentwickelt werden, dass die Datenaufbereitung der Archive speziell bei Aktualisierungen unabhängiger von der Fachstelle gehandhabt werden kann. Auch können mithilfe des Tools Testdatensätze so aufbereitet werden, dass man sich sofort ansehen kann, wie die Daten im Archivportal-D aussehen. Dies „verkürzt“ den Weg der Daten und soll die aktuell mehrstufigen Abläufe schneller machen. Noch ist das Tool etwas kompliziert in der Anwendung, weshalb Nadine und Oliver E-Learning-Videos produzieren, die nach Fertigstellung bei DDBpro, unser Portal für Datenpartner, angeboten  werden sollen.

#4von12

Ein Blick auf die Datenaufbereitung
Ein Blick auf die Datenaufbereitung

Circa 80% Prozent seiner Arbeitszeit verbringt Oliver mit der Datenaufbereitung und der Kommunikation mit den Archiven, der Servicestelle und dem FIZ Karlsruhe, dem technischen Betreiber der DDB. „Das ist ja das Konzept der Fachstelle, dass wir auch einfach viel an Korrekturarbeit und an Aufbereitung übernehmen, also dass wir diesen Fokus haben die Archive zu unterstützen.“ An seinem Schreibtisch zeigt er mir, wie ein Skript zur Datenaufbereitung aussieht. Mir sind die Implikationen nicht hinlänglich bewusst  und so versuche ich mich ranzutasten: Was ist Datenaufbereitung eigentlich genau? „Datenaufbereitung bedeutet, dass wir Ausgangsdaten haben, die in den Archiven liegen, meist in einer Software hinterlegt, und dass wir diese Daten in eine Form bekommen müssen, in der wir sie online stellen können.“

Ich möchte wissen, ob es Aspekte bei der Datenaufbereitung gibt, die Oliver besonders spannend findet: „Besonders spannend finde ich, wenn man Datenformate hat, bei denen man denkt: Oh Gott, das bekommt man überhaupt nicht in eine Form, die man darstellen kann. Zum Beispiel wenn ein Archiv kein traditionelles Archiv mit Findbüchern und Tektonik ist und man sich gemeinsam überlegen muss, wie man das trotzdem adäquat darstellen kann. Das macht Spaß, vor allem, wenn es am Ende funktioniert und eine gute Darstellung gefunden wird, bei der der Verlust nicht zu groß ist.“

#5von12

Kaffeepause
Kaffeepause

Wir machen eine Kaffeepause. Mich interessiert, was besprochen wird, wenn ich nicht dabei bin. „Was wir immer machen, ist die Ingestplanung zu besprechen, also dass wir gucken, welche Archive gerade in der Vorbereitung sind und schauen, was in nächster Zeit ansteht. Tagesaktuell besprechen wir natürlich immer die Probleme. Wenn etwas nicht funktioniert oder wenn wir eine Anfrage haben, bei der wir noch nicht wissen, wie wir damit umgehen werden oder wenn technisch etwas überarbeitet werden muss“, erzählt Nadine. Der Kaffee ist gut, die Schokolade auch.

#6von12

Oliver und Matthias vom Bundesarchiv in Berlin skypen

Oliver skypt mit Matthias. Matthias Forster ist Mitarbeiter der Fachstelle Archiv Standort Berlin beim Bundesarchiv. Seit August 2016 sind sie zu zweit und haben eine regionale Arbeitsteilung eingeführt. Matthias ist für die nördlichen und östlichen Bundesländer zuständig, Oliver für die südlichen und westlichen. Sie sprechen mehrmals wöchentlich miteinander: „Wir haben ja die gleichen Probleme mit der Software oder den Formaten und benutzen für die Datenaufbereitung die gleichen Tools. Also meistens arbeiten wir nicht an einzelnen Einrichtungen gemeinsam, sondern an Formaten. Und wenn man ein Format gelöst hat, kann man damit gleich mehrere Archive reinbekommen.“

#7von12

Im Landesarchiv Baden-Württemberg arbeiten auch Christina Wolf, Sachgebietsleiterin Koordinierungsstelle Digitalisierung und Co-Projektleiterin „Archivportal-D“, und Wolfgang Krauth, Leiter des Referats Informationstechnologie, digitale Dienste und zuständiger Referent für die Deutsche Digitale Bibliothek. Gemeinsam mit Nadine und Oliver treffen wir uns mit ihnen für eine Teambesprechung.

Ich frage Nadine und Oliver nach den Schnittstellen bzw. Überschneidungen ihrer Arbeitsbereiche. Nadine erzählt, dass die Aufgabentrennung ganz klar verlaufe: Die Betreuung der Archive, die technische Seite liegt bei der Fachstelle Archiv, beim Archivportal-D liegt die Weiterentwicklung des Portals. Doch sie besprechen sich oft; bei der Entwicklung neuer Features ist das wichtig, um die Zusammenarbeit mit den Archiven möglichst reibungslos zu gestalten und um neue Entwicklungen nach außen zu kommunizieren. Ich merke schnell, dass die vier gerne zusammenarbeiten, ein guter Teil des Gespräches wird durch Lachen bestimmt.

#8von12

„Im Archivbereich geht viel über die Community. Es gibt den VdA (Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V.) und die KLA (Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder). Es gibt Workshops und Arbeitsgemeinschaften, an denen man teilnimmt oder selbst veranstaltet. Es gibt die Archivtage, wo man mit Ständen und Vorträgen präsent ist und auch unser Twitter-Account @archivportal ist Teil der Community, weil viele Follower Archivare sind. Wir schreiben Artikel für Publikationen wie den ARCHIVAR – also, Community-Arbeit kann man an vielen Sachen festmachen“, erzählt Nadine. Oliver und sie sind jedes Jahr viel unterwegs.

Die intensive Community-Arbeit der beiden und ihrer Kollegen scheint sich auszuzahlen: „Das Faszinierende daran ist auch, dass wir jetzt soweit gekommen sind, dass die großen Softwarehersteller eine EAD(DDB)-Schnittstelle anbieten bzw. das im Grunde jetzt schon Standard geworden ist. Dass im Grundprodukt schon etabliert ist, dass die Archive bei der DDB und dem Archivportal-D mitmachen, ist schon eine sehr spezielle Sache von den Archiven.“ Nadine verortet die Identifikation der Archive mit dem Portal unter anderem in dessen Namen – Oliver ergänzt, dass „das Archivportal-D in gewisser Weise als Türöffner gesehen werden kann, weil es die komplexe Hierarchie der Archivbestände abbilden kann.“

#9von12

Wir gehen in der Mensa der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart direkt um die Ecke Mittagessen. Nach diversen Beinahekollisionen mit Instrumentenkoffern während des Balanceakts Essenstransport gen Tisch lassen wir uns Nudeln mit Tomatensauce an Hähnchenschnitzel respektive Reis und Fischfilet schmecken. Wir beschließen unsere Tischgespräche nicht öffentlich zu machen und stattdessen die Mimik ihr Übriges tun zu lassen.

#10von12

Das DFG-Projekt „Aufbau eines Archivportals-D“ ist fast am Ende seiner Förderphase angelangt, weshalb ich Nadine frage, was sie noch gerne implementieren würde. „Für das Projekt sind wir mit der Entwicklung relativ durch – es ist alles umgesetzt, was im Rahmen des Projektes vorgesehen war. Was ich sehr gerne hätte, ist, dass die Suchbegriffe automatisch ergänzt werden oder dass die Suche abgespeichert werden kann. Das wird schon diskutiert und in Zukunft parallel mit der DDB entwickelt werden.“ Eine jetzt schon sichtbare Neuerung ist, dass das Archivportal-D die Personenseiten der DDB übernommen hat. Und dann ist da noch die Einführung des DFG-Viewers. „Das ist dann schon eine andere Qualität der Bildbetrachtung, wenn man die Darstellung des Bildes bearbeiten kann, die Kontraste, Helligkeit verändern kann, das Bild schwenken, reinzoomen kann. Das wird für die wissenschaftlichen Nutzer auch noch mal eine andere Qualität reinbringen“, sagt Nadine.

Über 11 Millionen archivische Objekte gibt es mittlerweile in der DDB und dem Archivportal-D, etwas über 500.000 davon mit Digitalisat. „Das ist ein Punkt bei Archiven. Auch die Objekte ohne Digitalisate bieten wichtige Infos, aber natürlich freuen wir uns immer, wenn wir einen Zuwachs bei den digitalisierten Objekten verzeichnen können. Die Daten sind meistens Findbücher und Tektonik – die Tektonik bildet immer die Hierarchie ab, wie die einzelnen Bestände angeordnet sind und wie sie sich zueinander verhalten. Und das ist eine wichtige Frage bei der Zusammenarbeit: Wie können wir das korrekt abbilden bei der DDB und beim Archivportal-D?“, sagt Oliver.

#11von12

Das Wort „Ingestplanung“ fällt immer wieder. Pro Quartal besprechen Fachstelle Archiv und die Servicestelle in Frankfurt, welche Archive ingestiert werden sollen. Oliver zeigt mir die Exceltabellen, die dafür verwendet werden. Ich frage ihn, von welchen Faktoren für ihn die Quartalsplanung abhängig ist. „Es gibt immer schon einen Grundbestand an Archiven, die wir von einem Quartal ins nächste mitnehmen und bei denen wir wissen, dass wir an ihnen weiterarbeiten. Meistens mache ich die Planung aus dem Kopf, weil ich präsent habe, wer gerade die Akteure sind, die die Daten liefern.“ Er benutzt ein Template von der Servicestelle, um die Archive einzuplanen und mitzuteilen, wie viele Objekte geliefert werden. Ganz grob: „Unter 10.000“ oder „Über eine Million“ sind die Einteilungen.

Dann kommt die Farbe. „Wir markieren die Archive farblich: Bei grün sieht alles sehr gut aus und wir denken, dass es da keine Stolpersteine mehr gibt. Blau heißt „könnte vielleicht klappen“ und rot ist dann eigentlich so, dass es sehr unrealistisch ist. Auch ganz neue Archive markiere ich erst mal rot, damit die Servicestelle die Ressourcen einplanen kann. Ich nehme sie aber rein, damit man sich die Möglichkeit offen hält, schon mal Testdaten reinzuladen.“

#12von12

Lisa Landes und Oliver Götze
Lisa Landes und Oliver Götze

Lisa Landes von der Servicestelle ruft an. Wir bitten sie ein Foto zu schicken, um die „Menschen am Computer“-Bilder etwas heterogener zu machen. Die Servicestelle in Frankfurt und die Fachstelle in Stuttgart (respektive Berlin) arbeiten eng zusammen. Wenn auch der Kontakt nicht täglich telefonisch abläuft, sondern eher elektronisch. „Wir arbeiten mit einem Ticketsystem. Dort haben wir für jede Einrichtung ein Oberticket und unterteilen dann in Unter-Aufgaben: „Lieferung Testdaten“, „Ingest Testdaten“, „Lieferung Echtdaten“, „Ingest Echtdaten“. Es gibt noch andere Aufgaben, wenn beispielsweise etwas nicht stimmt oder ein Datensatz kaputt ist. Aber viel läuft über das Ticketsystem. Ich teile der Servicestelle mit, dass es neue Testdaten gibt und die kommuniziert das dann an die Kollegen vom FIZ“, so Oliver.

Über 100 Archive wurden in den letzten zwei Jahren neu ingestiert. Trotzdem gibt es noch viele weiße Punkte auf der Landkarte der Deutschen Digitalen Bibliothek und des Archivportals-D – Arbeit für die nächsten Jahre.
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Mein Zug zurück nach Berlin fährt bald. Ich mache mich auf den Weg zum Bahnhof, laufe durch den Schlossgarten. Ich mache kein Foto von meinem Gepäck oder dem wartenden Zug. Das Porträt hat ja schon alle Bilder, die es braucht.

 

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