Patentzeichnungen aus dem 19. Jahrhundert: Eine Reise zurück in die Zukunft der Technologie

Patentzeichnungen aus dem 19. Jahrhundert: Eine Reise zurück in die Zukunft der Technologie

08.12.2015

„Patentzeichnungen durchzusehen gleicht einer Reise mit einer Zeitmaschine“, sagt der amerikanische Patentanwalt Kevin Price in einem Spiegel-Artikel. Price, dessen Faszination für Patentzeichnungen ihn eine Kulturgeschichte der Patentzeichnung („The Art of the Patent“, 2011) verfassen ließ, konstatiert aber zugleich einen „Niedergang dieser Kunstform“. Hätten früher die Erfinder ihre Patente noch aufwendig grafisch und zeichnerisch gestaltet, seien die heutigen Zeichnungen eher „ lieblos, nüchtern“.   

Das deutsche Wort „Patent“ wurde übrigens nur zwei Jahrhunderte zuvor aus dem französischen „patente“ für „Bestallungsbrief, Gewerbeschein“ entlehnt. Vor der Entwicklung des modernen Patentwesens im 19. Jahrhundert war mit diesem Wort damals allerdings hauptsächlich eine „Urkunde über bestimmte Rechte“ gemeint.

Aber nicht alles darf patentiert werden, denn nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1969 wird zwischen „Erfindungen“ und „Entdeckungen“ unterschieden. Patentierbare Erfindungen sind „technische Lehren zum planmäßigen Handeln, die einen kausal übersehbaren Erfolg unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte ohne Zwischenschaltung verstandesmäßiger Tätigkeiten reproduzierbar herbeiführen“ (Wikipedia). Man könnte diesen eher sperrigen Satz auch mit „technischer Innovation“ überschreiben: von der Geschirrspülmaschine zur Mikrowelle oder der Straßenlaterne lässt sich alles patentieren, was mittels von Naturkräften funktioniert.

„Entdeckungen“ hingegen, also die Erkenntnis, wie etwas funktioniert, können nicht patentiert werden. Ebenfalls nicht patentierbar sind ästhetische Schöpfungen, wissenschaftliche Theorien oder mathematische Methoden und sogar Spiele.

Die Geschichte des Patents und des Patentrechts lässt sich bis 720 v. Chr. zurückverfolgen: In der wohlhabenden Kolonie Sybaris in Süditalien hatten Köche ein Jahr lang das Recht auf das von ihnen kreierte Rezept, berichtet Athenäus der Ältere. Das erste Patentgesetz, wie wir es heute kennen, wurde in Venedig im Jahr 1474 erlassen, es folgten England (Statute of Monopolies 1624) und Frankreich (1791). In Deutschland gab es erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts patentrechtliche Regelungen.

Viel früher jedoch gab es den ersten Patentverletzungsprozess und zwar im Jahr 1593. Es ging um ein „newerfunden Mühlwerckh“ zum Schleifen von Halbedelsteinen in Nürnberg. Derselbe Kläger erwirkte acht Jahre später – gleiches Patent, gleiche Verletzung – einen Unterlassungsanspruch und eine Strafe von zehn Gulden.

Die Einführung eines deutschen Patentgesetzes war nicht leicht: 1864 forderten die deutschen Handelskammern im Rahmen der „Antipatentbewegung“ noch die Abschaffung der Patente, erst als sich Kanzler Bismarck persönlich für ein Gesetz einsetzte, konnte der Entwurf am 25. Mai 1877 in Kraft treten.

Überzeugt hatte ihn die Argumentation des Erfinders und Industriellen Werner von Siemens aus Chemnitz: Dieser hatte Bismarck darauf hingewiesen, dass deutsche Produkte bisher in aller Welt als „billig und schlecht“ galten. Durch das Patentgesetz würde die deutsche Industrie gestärkt und das Ansehen in der Welt erhöht. Die deutschen Qualitätsprodukte waren geboren.

In der Deutschen Digitalen Bibliothek findet man eine Vielzahl an Patentzeichnungen speziell aus dem 19. Jahrhundert in den Beständen des Landesarchivs Baden-Württemberg. Maus- und Rattenfallen, Feuerluftmaschinen oder künstliche Körperteile sind nur ein paar der Beispiele, die wir hier vorstellen.

Patent des Schieferdeckers Hahn in Heilbronn auf eine neue Art von Maus- und Rattenfallen (1860)

Patent des Schieferdeckers Hahn in Heilbronn auf eine neue Art von Maus- und Rattenfallen, Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 170 a_Bü 276

"Patent des Schieferdeckers Hahn in Heilbronn auf eine neue Art von Maus- und Rattenfallen", Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 170 a_Bü 276

Das Patent des Schieferdeckers Hahn in Heilbronn zeigt zeichnerisch eindrucksvoll, wie er sich die neue Art von Maus- und Rattenfallen vorstellt. Weniger eindeutig ist die tatsächliche Funktionsweise der Falle. Interessant bei den Patentzeichnungen ist, dass immer auch der Beruf des Erfinders mit angegeben ist: Die Ratten- und Mäuseplagen auf den Dachböden des 19. Jahrhunderts könnten diesen Schieferdecker zu seiner Idee inspiriert haben.

Beschreibung und Zeichnung der Feuerluftmaschine des Mechanikers W. Schmidt aus Heidelberg (1845)

Beschreibung und Zeichnung der Feuerluftmaschine des Mechanikers W. Schmidt aus Heidelberg 1845, Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, G Technische Pläne III Nr. 162

"Beschreibung und Zeichnung der Feuerluftmaschine des Mechanikers W. Schmidt aus Heidelberg 1845", Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, G Technische Pläne III Nr. 162

Die abgebildete „Feuerluftmaschine“ des Mechanikers W. Schmidt aus Heidelberg wurde 1845 patentiert. Heute wird der Begriff „Heißluftmaschine“ verwendet und sie ist neben der Dampfmaschine die älteste Wärmekraftmaschine. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Heißluftmaschine von Verbrennungs- und Elektromotoren verdrängt, bis dahin trieben Heißluftmotoren verschiedene Maschinen im Kleingewerbe an (Quelle: Deutsches Museum).

Patent des Glockengießers H. Kurtz in Stuttgart auf einen verbesserten Wasserzubringer (1856)

Patent des Glockengießers H. Kurtz in Stuttgart auf einen verbesserten Wasserzubringer, Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 170 a_Bü 130

"Patent des Glockengießers H. Kurtz in Stuttgart auf einen verbesserten Wasserzubringer", Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 170 a_Bü 130

Patent des Wilhelm Müller aus Stuttgart auf eine künstliche Hand (1868)

Patent des Wilhelm Müller aus Stuttgart auf eine künstliche Hand, Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 170 a_Bü 1002

"Patent des Wilhelm Müller aus Stuttgart auf eine künstliche Hand", Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 170 a_Bü 1002

Ob es die künstliche Hand von Erfinder Wilhelm Müller aus Stuttgart jemals in die Riege deutscher Qualitätsprodukte geschafft hat, ist nicht überliefert.
 
Patentzeichnungen in der Deutschen Digitalen Bibliothek
 

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