Neue Virtuelle Ausstellung: „Vom Privilegienbrief zum Bundesverfassungsgericht – Eine Virtuelle Ausstellung zum 300. Geburtstag der Stadt Karlsruhe“

Neue Virtuelle Ausstellung: „Vom Privilegienbrief zum Bundesverfassungsgericht – Eine Virtuelle Ausstellung zum 300. Geburtstag der Stadt Karlsruhe“

14.10.2015

„Von dem Recht zur Ansiedlung und dem Genuss dieser Freiheiten darf niemand wegen seiner Religion ausge­schlos­sen werden. Vielmehr sollen alle, die einer der im Heiligen Römischen Reich verbrei­te­ten Religionen angehören, aufge­nom­men und in ihrem Handel und Wandel gefördert werden.“

So beginnt der Karlsruher Privilegienbrief von 1715 – ein Dokument von Markgraf Karl Wilhelm, mit dem der Anfang für eine der ersten Planstädte in Europa gemacht werden sollte. Bürgerliche Rechte, wie in diesem Beispiel die Religionsfreiheit, und viele weitere, wie die Ausnahme von der Leibeigenschaft, von Frondiensten und Steuern, waren bei Stadtgründungen für die damalige Zeit neu und außergewöhnlich und trugen zum Gründungserfolg bei. 

Nachdruck des Karlsruher Privilegienbriefs von 1715

Aus heutiger Perspektive brachte sich Karlsruhe bereits in dieser Anfangszeit ins Spiel für die Entwicklungen von Recht und Rechtsprechung, die von dieser Stadt ausgehen sollten: Heute Sitz des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs waren es die fortschrittlichen Impulse bei seiner Gründung, die nicht nur für die Geschichte der Stadt den roten Faden spinnen sollten, sondern auch für diese virtuelle Ausstellung. So folgten im Fahrwasser des Privilegienbriefs die badische Verfassung von 1818 und das erste deutsche Parlamentsgebäude ebenso wie der Status als Hauptstadt der Republik nach der Revolution 1848/49.

Die von Meinrad Welker kuratierte Ausstellung, die zusammen mit dem Stadtarchiv Karlsruhe und FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur entstand, führt den Besucher durch die allgemeine Stadtgeschichte und setzt Schwerpunkte auf den Bereichen Planen und Bauen, Migration und Internationalität, Mobilität und Energie sowie Kultur und Innovation.

3D-Scan der Büste von Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738) im Stadtmuseum Karlsruhe
3D-Modell einer Laufmaschine aus dem Nachlass von Karl (von) Drais (1785–1851) im Stadtmuseum Karlsruhe

Eine Naturkatastrophe, die Erfindung des Zweirads und Heinrich von Kleist

Über 150 Objekte sind in dieser Zusammenstellung erstmals online zu sehen. Besonders erwähnenswert sind zwei 3D-Objekte, die mit dem x3dom-Viewer des Fraunhofer Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD präsentiert werden. Die Digitalisierung der beiden 3D-Objekte wurde durch das Stadtarchiv Karlsruhe und FIZ Karlsruhe ermöglicht.

Eines der 3D-Objekte ist die „Laufmaschine“ des Erfinders Karl von Drais, der mittlerweile in einem Atemzug mit Carl Benz und den Brüdern Wright genannt wird. Besucher der virtuellen Ausstellung erfahren, dass Karlsruhe nicht nur auf dem Gebiet des Rechts Vorreiter ist, sondern dass auch berühmte technische Entwicklungen ihre Wurzeln in dieser Stadt haben.

Die Drais’sche Laufmaschine, erfunden 1817, ist das erste Zweirad der Welt und bildet die Grundlage für die spätere Entwicklung des Fahrrads. Auslöser für die Erfindung der Laufmaschine als Alternative zu Kutsche und Reitpferd war eine Naturkatastrophe 1815 – der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien –, Grund für das „Jahr ohne Sommer“ 1816. Vernichtete Ernten, Hungersnöte und infolgedessen das Sterben der Pferde machten eine mobile Alternative notwendig. Das Ansehen ihres Erfinders stieg, der Erfolg der Laufmaschine leider nicht: Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse mussten Laufmaschinenfahrer auf den Bürgersteig ausweichen, was zu Unfällen und schließlich zum Verbot des Geräts führte.

Der erfinderischen Betriebsamkeit und Lust an technischer Innovation Karlsruhes folgte logisch stringent die Gründung der ersten Technischen Hochschule Deutschlands. Zusammen mit dem Forschungszentrum Karlsruhe bildet sie heute das Karlsruher Institut für Technologie, das größte deutsche Forschungsinstitut.

Versuchsaufbau zum Nachweis elektromagnetischer Wellen\r\nMit diesem Versuchsaufbau wies Heinrich Hertz (1857–1894) am 11. November 1886 in Karlsruhe die Existenz elektromagnetischer Wellen nach. Hertz war von 1885 bis 1889 Professor am Karlsruher Polytechnikum.\r\n

Heinrich von Kleist schrieb einmal über Karlsruhe: „Ich bin diesmal auch in Carlsruhe gewesen und es ist schade, daß du diese Stadt, die wie ein Stern gebaut ist, nicht gesehen hast. Sie ist klar und lichtvoll wie eine Regel, und wenn man in sie hineintritt, so ist es, als ob einem ein geordneter Verstand anspräche.“

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Edit 28.04.2017:

Aufgrund neuer Forschungsergebnisse müssen einige Sätze bezüglich Drais revidiert werden. Es hat sich herausgestellt, dass nicht der Vulkanausbruch des Tambora ursächlich für ein Pferdesterben und die Erfindung der Laufmaschine war, sondern Drais selbst sorgte für die Verbreitung seiner Erfindung in Frankreich und England. Es gab aber auch zahlreiche nicht von ihm genehmigte Nachbauten, die bis nach Amerika gelangten.

 
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Für Karlsruhe-Besucher:

Mit einem langen Festivalsommer, der am 17. Juni begann – am Jahrestag der Grundsteinlegung der Stadt –, feiert Karlsruhe die 300 Jahre seiner Geschichte. Ideenwerkstätten, Schlosslichtspiele, Stadtteilprojekte, Ausstellungen und ein zentraler Pavillon im Schlossgarten, der die Besucher einlädt, nicht nur auf die Vergangenheit der Stadt zu schauen, sondern auch auf Gegenwart und Zukunft, sind Teil der Feierlichkeiten.

Präsentation der Virtuellen Ausstellung als Teil der Feierlichkeiten:

Am 15. Oktober um 18 Uhr wird die Virtuelle Ausstellung im Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais präsentiert. Archivdirektor Dr. Ernst Otto Bräunche und Museumsleiter Dr. Peter Pretsch werden in die Internetpräsentation einführen. Ideengeber Dr. Robert Hauser vom FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur und Stephan Bartholmei von der Deutschen Nationalbibliothek werden die Idee virtueller Ausstellungen im Rahmen der Deutsche Digitalen Bibliothek erläutern.

Zum Stadtmuseum Karlsruhe
 

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