Die Geschichte des Weihnachtsbaums: Von frostgeplagten Nordmännern und vergoldeten Kartoffeln

Die Geschichte des Weihnachtsbaums: Von frostgeplagten Nordmännern und vergoldeten Kartoffeln

06.12.2017

Von Wiebke Hauschildt (Online-Redaktion)

Der mit Abstand beliebteste Weihnachtsbaum in deutschen Wohnzimmern ist die Nordmann-Tanne. Weiche Nadeln, dunkelgrün und schön gewachsen wird die Tanne millionenfach zu den Feiertagen verkauft. Der Name passt ja auch gut: Nordmann-Tanne weckt Assoziationen mit tief verschneiten Wäldern im Norden Europas, wo diese starken Tannen Jahr um Jahr ungerührt stehen und auf ihr – wenn auch nur für die menschlich Beteiligten schönes – Ende warten. Es gibt da nur ein kleines Problem. Die Tanne kommt gar nicht aus dem Norden, sie kommt eigentlich aus Georgien bzw. dem Westkaukasus. Sie verträgt Kälte und Spätfrost gar nicht gut, leidet auch mal unter Weißtannentriebläusen, Pilzen und Tannenborkenkäfern und ist nicht annähernd so robust wie ihr Name es vermuten lässt.

Wie hat es nun aber diese Tanne und eigentlich überhaupt Tannenbäume in die weihnachtlichen Wohnzimmer weltweit geschafft? Dazu ist ein kurzer Ausflug nötig. Es geht – wie so häufig – zurück in die Antike.

"Freiburg: Platz am Siegesdenkmal, Tannenbaum mit Lichtern" (Dezember 1964), Fotograf: Willi Pragher, Landesarchiv Baden-Württemberg (CC BY 3.0 Deutschland)

Lorbeerkränze, Immergrün und ewiges Leben

Der Encyclopedia Brittannica zufolge wurden immergrüne Bäume, Kränze und Girlanden als Symbol ewigen Lebens schon von den alten Ägyptern, Chinesen und Hebräern verwendet. Auch unter den heidnischen Europäern war die Verehrung von Bäumen üblich und in den skandinavischen Ländern hielt sich der Brauch, Tannenzweige zu Neujahr aufzuhängen, um den Teufel abzuschrecken. Auch in der Römischen Antike wurden zum Jahreswechsel die Häuser mit Lorbeerzweigen geschmückt – die Immergrünen versprachen Hoffnung auf eine baldige Wiederkehr des Frühlings.

Das Aufstellen und Schmücken von Bäumen findet man in den nachfolgenden Jahrhunderten an den unterschiedlichsten Orten und zu diversen Gegebenheiten, sei es das Aufstellen von Mai- und Richtbäumen oder speziell im Mittelalter den Einsatz des Paradiesbaums anlässlich der kirchlichen Paradiesspiele. Zu diesem Anlass wurde der Baum – er musste nicht zwingend immergrün sein – mit Äpfeln behängt als Symbol für den menschlichen Sündenfall.

Doch all diese Bäume sind noch keine Weihnachtsbäume und auch nicht immer Tannen oder Kiefern. Wann genau das erste Mal ein Tannenbaum in einem Haus geschmückt wurde – darüber streiten sich die Wissenschaftler. Die Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann, die das Standardwerk „Das Weihnachtsfest. Eine Kultur- und Sozialgeschichte der Weihnachtszeit“ (1978) verfasste, datiert den frühesten Weihnachtsbaum auf das Jahr 1570. In einer Bremer Zunftchronik aus diesem Jahr wird von einem kleinen Tannenbaum berichtet, der, mit Früchten, Brezeln und Papierblumen dekoriert, im Zunfthaus aufgestellt wurde, wo die Kinder ihn zu Weihnachten plündern durften.

"Bukarest: Frau Bogdan, am Weihnachtsbaum", Fotograf: Willi Pragher, Landesarchiv Baden-Württemberg (CC BY 3.0 Deutschland)

Nun aber: Der Weihnachtsbaum hält Einzug in die Häuser

Wer die Geschichte des Weihnachtsbaumes recherchiert, stolpert zwangsläufig und immer wieder über Straßburg. Schon im Jahr 1539 soll im Straßburger Münster ein Weihnachtsbaum gestanden haben. Die ersten Aufzeichnungen eines Weihnachtsbaumes als einen üblichen Brauch stammen aus dem Jahre 1605, wieder aus Straßburg: „Auff Weihnachten richtet man Dannenbäume zu Straßburg in den Stuben auf. Daran henket man Roßen auß vielfarbigem Papier geschnitten, Aepfel, Oblaten, Zischgold [dünne, geformte Flitterplättchen aus Metall] und Zucker“, schreibt die Wikipedia, um Straßburg dann noch einmal zu erwähnen: „In einer zwischen 1642 und 1646 verfassten Schrift ereiferte sich der Prediger am Münster Johann Conrad Dannhauer gegen den Brauch, in den Häusern Weihnachtsbäume aufzustellen: „Unter anderen Lappalien, damit man die alte Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begehet, ist auch der Weihnachts- oder Tannenbaum, den man zu Hause aufrichtet, denselben mit Puppen und Zucker behängt, und ihn hernach abschüttelt und abblühen (abräumen) lässt. Wo die Gewohnheit herkommt, weiß ich nicht; ist ein Kinderspiel“.“

"Straßburger Münster" (Kupferstich 1615), Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig (CC BY-SA 4.0 International)

Nun sind sich die einschlägigen Weihnachtshistoriker einig, dass es nicht im Straßburger Münster war, wo der immergrüne Brauch seinen Anfang fand, sondern dass es tatsächlich die eingangs erwähnten Zünfte waren, von denen aus der Baum in den Schoß der Familien wanderte. Sicher scheint nur: Die Anfänge des Weihnachtsbaums sind in Deutschland bzw. im Elsass zu finden. Und: Es war zu Anfang ein rein urbanes Phänomen, welches die ländlichen Gegenden im 17. und 18. Jahrhunderten nicht erreichte. Zur europaweiten Verbreitung des Baumes trug dann die Aristokratie bei. Sie fand Geschmack am grünen Tannenbaum und mithilfe der europäischen Fürstenhäuser verbreitete sich der Brauch zu Weihnachten einen Baum aufzustellen Anfang des 19. Jahrhunderts bis nach Russland und durch Prinz Albert, Ehemann von Queen Victoria, bis in die englische Monarchie.

"Fliegende Blätter: "Der stolzen Tanne traurig Loos" (1854), Universitätsbibliothek Heidelberg (CC BY-SA 4.0 International)

Literarische Erwähnungen, vergoldete Kartoffeln und noch mal Nordmann

Eine der ersten Erwähnungen des Weihnachtsbaumes in der deutschen Literatur schafft Johann Wolfgang von Goethe in seinen „Leiden des jungen Werthers“ (1774). Werther besucht an einem Sonntag vor Weihnachten „die von ihm verehrte Lotte und spricht von den Zeiten, da einen die unerwartete Öffnung der Türe und die Erscheinung eines „aufgeputzten Baumes“ mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln in paradiesisches Entzücken versetzte.“

Mit der zunehmenden Popularität des Tannenbaums zeigte sich auch schnell ein Problem: In Mitteleuropa gab es von diesen zu wenige und erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden vermehrt Tannenwälder angelegt, um den Bedarf zu decken. Seltsame Blüten trug auch manchmal der bevorzugte Schmuck: Während die Herzogin Dorothea Sybille von Schlesien 1611 als eine der ersten den Baum mit Kerzen schmückte, „berichtet der preußische König Friedrich der Große davon, den Baum mit vergoldeten Kartoffeln zu schmücken, die die Paradiesfrucht auf besondere Art darstellen sollte.“ Die Christbaumkugel ist heute gläserne Zeugin der Tradition, den Weihnachtsbaum mit der verbotenen Frucht – dem Apfel aus dem Paradies – zu schmücken.

"Christbaum-Gold zum Vergolden der Nüsse, Aepfel etc. für den Weihnachtsbaum." (1906), Museum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin (CC BY-NC-SA 3.0 Deutschland)

Zum Schluss noch die Erklärung für die Namensgebung des Sensibelchens unter den Tannen, die Nordmann-Tanne. Sie hat ihren robusten Namen von ihrem Entdecker erhalten, dem finnischen Forscher Alexander von Nordmann (1803-1866). Der stößt 1838 in den Bergen bei Borchomi im heutigen Georgien auf die Tanne und nennt sie „Abies nordmanniana“. Ihren Siegeszug durch die deutschen Wohnzimmer trat die Nordmann-Tanne jedoch erst in den letzten zwanzig Jahren an: Heute liegt ihr Anteil bei rund 80 Prozent aller verkauften Weihnachtsbäume.

Auch auf dem Petersplatz in Rom steht seit 1982 ein Weihnachtsbaum – ob es eine Nordmann-Tanne ist? Zumindest das italienische Klima würde dafür sprechen.

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