„Zugang gestalten! Mehr Verantwortung für das kulturelle Erbe“ im Europäischen Kulturerbejahr – ein Konferenzrückblick
Von Wiebke Hauschildt (Online-Redaktion)
Harry Verwayen, frischgebackener Europeana-Direktor und Nachfolger von Jill Cousins, eröffnet die diesjährige achte „Zugang gestalten!“-Konferenz im Hamburger Bahnhof Berlin mit seiner Keynote „The role of culture in the digital transformation of Europe“. Der „mittelmäßige Tennisspieler, halbwegs ordentliche Koch und angehende Fotograf“, wenn man seiner Biografie glauben darf, betont zuallererst, dass er außerdem Opportunist (falls notwendig) und Pragmatiker sei, und so auch an die grundsätzlichen Fragen herangehe, die sich dem europäischen Kultursektor in diesen Tagen stellen.
Das Europäische Kulturerbejahr 2018 Sharing Heritage sollten vor allem wir als Kulturschaffende nicht auf die leichte Schulter nehmen, meint Verwayen und nennt Zahlen: Die europäische Kreativindustrie steuert der europäischen Wirtschaft 500 Milliarden Euro jährlich bei. Sie ist der größte Arbeitgeber für junge Menschen in ganz Europa. Aber wenn Kultur wirklich diese tranformativen Kräfte innehat, was wir nicht müde werden zu betonen, warum machen wir dann nicht mehr draus?
Die Keynote von Verwayen stellt wichtige Fragen: Alle sprechen von der digitalen Transformation. Aber was genau soll transformiert werden und wie? Wenn die Digitalisierung eine solch hohe Relevanz hat, warum sind dann erst 10 Prozent des Kulturerbes digitalisiert und davon nur 36 Prozent online verfügbar? Die Metapher des Eisbergs findet auch hier wieder ihre Daseinsberechtigung. Und dabei haben wir jetzt die einmalige Gelegenheit, die Zukunft unseres europäischen Kulturerbes zu gestalten – ganz wichtig dabei: Wir müssen diese Zukunft, die digitale Transformation und alles, was dazu gehört, zu unseren eigenen Bedingungen gestalten.
Europäisches Kulturerbe für alle!
Es geht an diesen beiden Konferenztagen am 25. & 26. Oktober 2018 viel um das Gemeinsame, aber auch um die Herausforderungen und Problematiken, die die Digitalisierung des Kulturerbes eines ganzen Kontinents mit sich bringt. Es wird von außen ein Blick auf dieses Europa geworfen, beispielsweise von der neuen Direktorin des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums Ellen M. Harrington, gebürtige US-Amerikanerin, oder von Dr. Ping Kong, ihres Zeichens International Project Advisor beim UNESCO WHITRAP, gebürtige Chinesin. Und es gibt den Blick von innen: Sei es von Dr. Uwe Koch, Leiter der Geschäftsstelle des DNK und nationaler Koordinator des Europäischen Kulturerbejahres oder von Elly Köpf, Projektmanagerin für Bildung bei Wikimedia Deutschland e.V.. Und die Liste der ReferentInnen geht noch sehr viel weiter.
Bei einem Punkt allerdings sind sich die meisten einig: Das jüngere Publikum braucht neue Zugänge, das Thema der Vermittlung unseres kulturellen Erbes ist bei vielen ReferentInnen eine zentrale Fragestellung. Harrington empfindet es als essentiell, dass junge Menschen in einer von Medien gesättigten Welt lernen, wie Bilder ein Narrativ konstruieren können. Koch fordert, die Impulse und Erfahrungen dieses Europäischen Kulturerbejahres zu nutzen, um den Vermittlungsbereich weiter zu stärken und betont, dass die Vermittlung denselben Stellenwert verdient wie der Forschungsbereich.
Spannende Projekte aus dem Bereich der Vermittlung werden auch am Morgen des 2. Tages vorgestellt in dem Panel „Einheit in Vielfalt – Neue Wege der Vermittlung“. Vom Bundesarchiv und seinem Quellenportal „Weimar – Die erste deutsche Demokratie“ zu den „Erbstücken“ des Goethe-Instituts, der Europeana, dem Verbundprojekt museum4punkt0 von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (unter anderem) und den Vermittlungsprogrammen der Kulturstiftung des Bundes wie dem lab.Bode, welches Kinder zu Kuratoren und Mitarbeitern des Berliner Bodemuseums macht: Unheimlich spannende Vermittlungsarbeit wird an vielen Häusern geplant oder ist schon in vollem Gange. Am dieses Beitrags findet sich eine Linkliste zum Stöbern. Es lohnt sich!
Bilderloses Europa?
Ein Konferenzdauerbrenner ist die Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Zugänglichmachung des kulturellen Erbes im Internet. Im Panel „Bilderloses Europa“ erörtert deshalb der Rechtsanwalt Nils Rauer von der Kanzlei Hogan Lovells in Frankfurt den Rechtsstreit der Deutschen Digitalen Bibliothek mit der VG Bild-Kunst in seinem Vortrag „Visualisierung von Kultur im Netz“. Zuletzt hatte das Berliner Kammergericht im Juni 2018 zu Gunsten der Deutschen Digitalen Bibliothek entschieden bei der Frage, ob „Framingverhinderungstechnologien“ eingesetzt müssen, um mit der VG Bild-Kunst einen Lizenzvertrag abschließen zu können. Die Pressemitteilung zum Gerichtsurteil und der Ausblick auf das weitere Verfahren zum Weiterlesen.
Wie auch die vergangenen Jahre waren die zwei Konferenztage der 8. „Zugang gestalten!“-Ausgabe geprägt von spannenden Vorträgen und Diskussionen zu unterschiedlichsten Aspekten bei der Zugänglichmachung des kulturellen Erbes. Auch wenn nicht immer Einigkeit herrschte, so stand doch der gemeinsame Wille zum Suchen und Finden von Lösungen im Vordergrund.
Wir bedanken uns bei allen TeilnehmerInnen, ReferentInnen und den Veranstaltern und freuen uns auf das nächste Jahr!
Projekte und Webseiten
Bundesarchiv Quellenportal "Weimar - Die erste deutsche Demokratie"
Goethe-Institut "Erbstücke"
Die Europeana
Das Verbundprojekt "museum4punkt0"
Sharing Heritage Europäisches Kulturerbejahr 2018
Zu Tisch! Genießen in Schlössern und Gärten
Partner
Die Konferenz wird in diesem Jahr präsentiert vom Bundesarchiv, der Deutschen Digitalen Bibliothek, der Deutschen Nationalbibliothek, dem Deutschen Filminstitut, dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, digiS – Servicestelle Digitalisierung Berlin, iRights.info, dem Jüdischen Museum Frankfurt, der Stiftung Historische Museen Hamburg, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Wikimedia Deutschland und dem ZKM Karlsruhe
Leitung: Dr. Paul Klimpel
Die Konferenz steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission e.V.