Kicking off Coding da Vinci in Berlin

Kicking off Coding da Vinci in Berlin

25.10.2017

Von Wiebke Hauschildt (Online-Redaktion)

Jede gute Veranstaltung beinhaltet einen handfesten Skandal. So auch das Kick-off Wochenende am 21./22. Oktober 2017 von Coding da Vinci, unserem Kulturhackathon in Berlin. Nun liegt der erwähnte Skandal in diesem Fall schon etwas zurück: Es geht bzw. ging um einen Opernsänger, einen Reichsbahner und um historische Eisenbahntickets von Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts, die das Berliner Verkehrs- und Baumuseum 1926 kaufte – allerdings vom Opernsänger und nicht vom Reichsbahner. Man kann den Unmut des Reichsbahners ein bisschen nachvollziehen, doch war der Opernsänger Fritz Hellmuth in seinem Leben weiter gereist und seine Sammlung deshalb reichhaltiger geworden. Heute befindet sich dieser weltweit größte Bestand von historischen Fahrkarten im Historischen Archiv der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin und dieses hat die Fahrkarten digitalisiert und sie ebenso wie den Skandal mit zu Coding da Vinci gebracht.

Über 120 EntwicklerInnen, Kreative und DesignerInnen kamen nämlich, um an der Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin gemeinsam mit Vertretern von 19 unterschiedlichen Kulturinstitutionen aus Berlin, Brandenburg und Leipzig sowie den Veranstaltern – Deutsche Digitale Bibliothek, Digitalisierungsstelle Berlin, Open Knowledge Foundation und Wikimedia Deutschland e.V. – zwei Tage lang zu entdecken, was man mit offenen Kulturdaten anstellen kann.

Coding da Vinci an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW); Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek
Coding da Vinci an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW); Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek

Die Daten: Bunte Insekten, historische Zeitungen und das Berliner Lebensgefühl

Eine Minute hatten die 19 Einrichtungen, die insgesamt 31 Datensets mitgebracht hatten, jeweils, um in der „One Minute Madness“ ihre Daten den Teilnehmenden vorzustellen. Dies sollte jedoch nur ein Vorgeschmack sein und den EntwicklerInnen und Kreativen helfen, eine Vorauswahl für ihre Projektidee zu treffen. Nach den einminütigen Präsentationen wurden die jeweiligen Bestände dann in 15 Minuten Sessions ausführlicher vorgestellt und besprochen.

Beim diesjährigen Schwerpunkt auf Berlin Brandenburg – dem Geburtsort Coding da Vincis – waren die Datenbestände so heterogen und spannend wie die Einrichtungen, die sie mitgebracht hatten. Um nur einige wenige zu nennen:

Das Museum für Naturkunde hatte gleich fünf Sammlungen dabei, u.a. hochauflösende, sphärische Bildsequenzen von biologischen Sammlungsobjekten – zumeist Insekten. Für diese Bildsequenzen haben Wissenschaftler am Museum für Naturkunde eine Maschine gebaut mittels derer es möglich ist, Insekten aus allen Richtungen aufzunehmen. Hier tritt die Bedeutung der Digitalisierung besonders in den Vordergrund: Von den „Typusexemplaren“ der Insekten existieren teilweise nur noch die Bestände am Museum. Wenn sie verloren gehen, ohne vorher digitalisiert worden zu sein, müsste die ganze Art neu entdeckt werden – so sie noch existiert.

Die Staatbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz hat ein breites Spektrum von historisch bedeutsamen Zeitungen aus der Zeit vor der Gründung des Deutschen Reichs bis in die ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs digitalisiert, während die Berlinische Galerie ihr „Heinrich Zille Konvolut“ im Gepäck hatte. Zilles gesamter fotografischer Nachlass – 152 Originalabzüge und mehr als doppelt so viele Glasnegative – zeigt das Lebensgefühl der Menschen, die in Berlin wohnen.

Und es gab noch so viel mehr…

Die KulturhackerInnen im Workspace bei der Ideenfindung; Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek
Die KulturhackerInnen im Workspace bei der Ideenfindung; Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek

Die Ideen:  Interplanetarische Datenspeicherung, Eilmeldungen aus der Vergangenheit und das Fahrkarten-Memory

Nach den ausführlichen Datenpräsentationen und etwas Zeit zur Ideenentwicklung fand das statt, worauf alle gewartet hatten: der Ideenpitch. Insgesamt 25 Ideen wurden von den Teams vorgestellt, 21 davon haben es ins Coding da Vinci Hackdash geschafft.

Die Kreativität reichte hier von der „Interplanetarischen Datenspeicherung“, die das digitalisierte Kulturgut (über Interplanetary File System und Blockchain) langfristig gegen menschengemachte und natürliche Katastrophen sichern will, bis zu den Eilmeldungen aus der Vergangenheit: Basierend auf den digitalisierten historischen Zeitungen der Staatsbibliothek zu Berlin soll eine App entwickelt werden, die historische Schlagzeilen als Push-Nachrichten auf die Smartphones dieser Welt bringt. Und vielleicht historische Kontaktanzeigen gleich dazu.

Auch die bereits erwähnten historischen Fahrkarten haben es ins Hackdash geschafft: Beim „Fahrkarten-Memory“ muss man sich an Züge, Orte und Reisen erinnern. Spielbar mit Kindern und ohne Kinder, analog und digital. Es werden übrigens noch Programmierer gesucht.

Bei der Arbeit: Ideenfindung und Graphic Recording; Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek
Bei der Arbeit: Ideenfindung und Graphic Recording; Foto: Wiebke Hauschildt/Deutsche Digitale Bibliothek

Ausblick 2018: Von Nord nach Süd, von Ost nach West

Gab es dieses und die vergangenen Jahre immer nur ein Coding da Vinci, sind im Kulturerbejahr 2018 (Sharing Heritage) gleich mehrere geplant: ein Frühjahrsauftakt mit Coding da Vinci Ost in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Leipzig, im Herbst eine Neuauflage von Coding da Vinci Nord in Hamburg und der erste Regionalhackathon „West“ an der Universitätsbibliothek Mainz. Für ein Coding da Vinci Süd ist man im Gespräch mit der Landesstelle für Nichtstaatliche Museen München. Und dann? Wird Coding da Vinci im Rahmen des Kulturerbejahrs in Europa vernetzt – wie genau, das berichtet das Coding da Vinci Blog.

Für die Kultur-HackerInnen aber geht es jetzt erstmal in die sechswöchige Entwicklungs- bzw. Sprintphase. Die Ergebnisse werden am 2. Dezember im Jüdischen Museum Berlin vorgestellt und prämiert.

Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen, die mitgewirkt haben, um diese außergewöhnliche Veranstaltung möglich zu machen und wünschen den Teams viel Spaß, Erfolg und freuen uns auf die tollen Ergebnisse!
 
Coding da Vinci – Der Kultur-Hackathon ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), der Open Knowledge Foundation Germany e. V. (OKF DE), der Servicestelle Digitalisierung Berlin (digiS) und Wikimedia Deutschland e. V. (WMDE) und ein offizieller Beitrag zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 in Deutschland des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK).
 

 

 

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